
Heute erzählt mir Gaby ihre traurige Geschichte. Ihr Lebenspartner Mark ist letztes Jahr im Oktober von einer Wandertour in den Tiroler Bergen nicht mehr zurückgekehrt.
Gaby, wie hast du die Nachricht von Marks Tod erhalten? Was waren deine Gedanken, wie hast du reagiert?
Mark hatte einen Wanderurlaub geplant und sich schon sehr darauf gefreut. Unterwegs hatte er mir noch Fotos und WhatsApp Nachrichten von der schönen Aussicht geschickt. Er war gut drauf und glücklich, endlich in seinen geliebten Bergen zu sein. Zwei Stunden später klingelte es an der Tür. Die Frau von Marks Wandergefährten überbrachte mir die schreckliche Nachricht. Von einem Moment zum anderen war nichts mehr so, wie es vorher war. Es hat mich weggespült, da war völlige Leere. Ich habe wie mechanisch funktioniert. Ich denke noch immer, dass er nur kurz irgendwo ist und wieder zurückkommt.
Dein Schicksalsschlag liegt erst kurze Zeit zurück. Kannst du dennoch sagen, was dir in der ersten Phase der Trauer geholfen hat?
So unbegreiflich es auch klingen mag, Mark hat sich den für ihn schönsten Ort ausgesucht. Er war glücklich in diesem Moment. Sein Tod trat innerhalb von Sekunden ein, er musste nicht leiden. Es geschah an seinem besonderen Platz, wie es sein Wunsch war. Nur traf es ihn viel zu früh. Es gibt nichts, was einem gegen all den Schmerz, der danach kommt, schützen kann. Es hilft nur der Glaube an die eigene Kraft, daran, dass es irgendwie weitergeht.
Wie konntest du dich motivieren, weiterzumachen?
Mark war so stark und doch musste er gehen. Ich tröste mich mit dem Gedanken, meinem Lebensmenschen begegnet zu sein. Das ist ein unsagbares Glück. Ich begreife erst langsam die Tragweite. Bilder ziehen an mir vorbei, Marks Seele wandert neben mir. Tag für Tag. Er ist ein Teil von mir. Dort, wo er jetzt ist, hat er Spaß mit seinem besten Freund Api. Er ist seiner Mutter nahe, die er so lange vermisst hat. Und ab und zu schaut er mit einem Augenzwinkern bei mir vorbei.
Wie hat dein Umfeld reagiert, was hat dich gestützt?
Jeder war bestürzt und fassungslos angesichts dessen, was passiert war. Mark war stark und gesellig, er hat das Leben geliebt und gefeiert. Wie konnte er plötzlich nicht mehr da sein, ohne Vorwarnung?
Ich hatte so viel zu viel zu tun, vor allem mit mir selbst. Dazu musste ich vieles organisieren, die Überstellung, die Beisetzung in seinem Geburtsort in Abstimmung mit seiner Familie. Dazu kümmerte ich mich auch um die Verlassenschaft. Es waren unzählige Dinge zu erledigen. Ich bin neben mir gestanden und habe mir dabei zugesehen, aber begriffen habe ich es nicht.
Für mich klingt das so, als fühltest du dich im Stich gelassen und hättest dringend Hilfe gebraucht.
Ich fühlte mich nicht direkt im Stich gelassen, denn meine beiden Söhne und auch Marks Söhne waren immer an meiner Seite. Aber man fragt sich schon, wie groß das Mitgefühl derjenigen ist, die erst jetzt, nach fast 11 Monaten, Hilfe und Unterstützung anbieten.
Was hättest du dir an Hilfestellung gewünscht? Wie hätte die aussehen sollen?
Ich tue mir schwer, um Unterstützung zu bitten. Aber in dieser schweren Zeit auf Hilfe angewiesen zu sein, verletzlich zu sein, das ist nicht angenehm.
Wie würdest du damit umgehen, wenn du jemanden zu trösten hättest?
Ich würde auf alle Fälle zuhören und umarmen, halten, den Schmerz (mit)aushalten. Das Leben trifft einen manchmal mit voller Härte, niemand sucht sich das aus. Ohne viele Worte verstehen und da sein. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass es solche Menschen in meinem Umfeld gibt. Vor allem meine beiden Söhne sind mir eine große Stütze. Ich schöpfe Kraft aus diesen Momenten, die ich mit besonderen Menschen teilen darf.
Hat sich deine Einstellung zum Leben oder dem verändert? Hast du dich verändert?
Ja, ganz sicher! Die Leichtigkeit unseres Lebens, das WIR ist verschwunden. Marks Tod hat vieles mitgenommen, den Sinn, die Lebensfreude, unsere gemeinsame Zukunft. Aber niemand kann mir meine Erinnerungen nehmen. Dieser Gedanke stützt mich, bringt mich ihm näher und schließt an unsere glückliche Zeit an.
Ich möchte mein Leben der neuen Situation anpassen. Aber noch habe ich keine Ahnung, wie das gehen soll. Manches passt nicht mehr zu meinem jetzigen Leben.
Wie behältst du ihn in deinem Leben, welche Erinnerungen sind wach?
Anfangs habe ich versucht, unseren Tagesrhythmus beizubehalten. Ich bin an Orte gefahren, die ich mit ihm verbinde. Manchmal bin ich sogar so weit gegangen, dass ich Dinge gegessen oder getrunken habe, die er mochte. Nur um ihm nahe zu sein. Ich habe Gedanken mit seinen Worten zu Ende gedacht Mark fehlt mir jeden Tag. Es sind die täglichen, kleinen Dinge und Gesten. Der Rasierschaum auf seiner Haut, die Zahnpastatube in der Dusche. Seine Weste über dem Sessel. Der Klang seiner Stimme, wenn er zur Tür hereingekommen ist. Das gemeinsame Frühstück, unsere wunderbaren Gespräche. Mark ist immer und überall da.
Gaby, ich danke dir für deine berührende Geschichte. Ich hoffe, es hilft dir ein bisschen, sie erzählt zu haben. Letztendlich ist es wirklich die Zeit, die den Schmerz irgendwann kleiner machen wird.