
Kathi wurde während ihrer Krankheit von ihren drei besten Freundinnen begleitet. Da waren Jil, Maria und Chrisi, die sie seit ihrer Schulzeit kannte. Jil ist mit ihrer Familie nach Pittsburgh gezogen. Wir haben immer noch Kontakt zueinander, folgen uns auf Instagram und Facebook und manchmal schaffen wir es, ausführlich zu telefonieren. Und während eines langen Videocalls ist dieses Gespräch entstanden.
Wie hast du Kathis Krankheit und dann ihren Tod empfunden, was sind heute nach so vielen Jahren deine Erinnerungen daran?
Ich weiß noch genau, wo ich war, als sie mich angerufen hat und mir erzählt hat, dass die Ärzte einen Tumor gefunden haben. Von da an war alles sehr unwirklich. Ich habe die Realität auch relativ lange verdrängt. Es gab so viele schlechte Nachrichten während ihrer Krankheit, aber die wollten wir halt alle nicht wahrhaben und akzeptieren. Da ging’s dann eher darum, in eine andere Richtung nachzuforschen, einen anderen Arzt um eine Meinung zu fragen, Erfolgsgeschichten zu suchen, die Hoffnung geben. Ich war gleichzeitig schwanger mit Vincent, hatte bereits ein Baby zu Hause. Kathis Krankheit hat sich meist so unwirklich angefühlt. Das konnte doch gar nicht sein, in dem Alter! Ich habe ständig darauf gewartet, dass irgendwer sagt: „Wir haben uns geirrt“ oder „Wir haben ein neues Medikament, macht euch keine Sorgen mehr.“
Was hat dir in der ersten Zeit der Trauer geholfen? Wie konntest du dich motivieren, weiterzumachen?
Meine zwei Kinder und Terry, mein Mann, haben mich sehr unterstützt. Die beiden Buben waren noch so klein, der Alltag mit ihnen hat da bestimmt geholfen, um erstmal alles zu verdrängen. Dass irgendwas speziell geholfen hätte, könnte ich nicht sagen. Es gab nichts, was diese Situation weniger schmerzhaft hätte machen können. Wir Mädels haben uns in der ersten Zeit noch oft getroffen, sind auch ein Wochenende gemeinsam weggefahren, wo wir viele Geschichten immer und immer wieder erzählt haben. Es wurde viel gelacht, aber noch viel mehr geweint. Das erste Jahr nach ihrem Tod war auch wieder unwirklich, viele Tage habe ich wie in einer Wolke erlebt. Es hilft da einfach nichts – nicht mal Zeit. Man lernt halt, mit dem Gefühl zu leben, aber dass irgendwas mir wirklich geholfen hätte, könnte ich nicht sagen.
Wie hat dein Umfeld reagiert – was hat dich gestützt, was hast du als das Gegenteil empfunden?
Ich kann mich erinnern, dass Terry sehr verständnisvoll war, was Gefühlsausbrüche und Stimmungsschwankungen betroffen hat. Ich habe dazwischen auch immer wieder Zeit für mich alleine gebraucht und wollte gar niemanden um mich haben. In der ersten Zeit nach ihrem Tod hat mich auch alles an Kathi erinnert. Lieder im Radio, die Handtasche, die im Vorzimmer hing, die ich mit ihr gekauft hatte, das Kaffeehaus um die Ecke, wo wir immer frühstücken waren, die Bank im Park, wo wir stundenlang gesessen sind, wenn wer blöd geschaut hat und ich mir Kathis Kommentar vorgestellt habe, die Weste, die sie mir geschenkt hat, das Essen beim Heurigen, das sie bestellt hätte – alles, an jeder Ecke, in jeder Situation.
Was hättest du dir gewünscht an Hilfe, die du aber nicht bekommen hast?
Ich könnte nicht sagen, dass ich mir irgendwas anders vorgestellt oder gewünscht hätte. Alle um mich herum haben genauso mit der Trauer gekämpft und mussten ihren eigenen Weg da durchfinden. Man kann zwar im Alltag versuchen, sich etwas abzulenken, aber sobald ein ruhiger Moment da ist, überkommt es einen. Jeder in meinem Umfeld war ja genauso von Kathis Tod betroffen. Wir waren alle im selben Boot.
Wie würdest du nun damit umgehen, wenn du jemanden zu trösten hättest?
Da hilft nichts, egal was man sagt. Einfach nur Verständnis zeigen und da sein, falls die Person darüber reden will. Meiner Meinung nach gibt’s da nicht wirklich was, das hilft. Jeder geht auch mit der Trauer anders um. Manche ziehen sich mehr zurück, manche brauchen die Leute um sich. Dann hat man wieder das Gefühl, es geht halbwegs, auf einmal kommt die Welle und trifft dich frontal. Manchmal hatte ich auch Phasen, in denen ich ganz oft von ihr geträumt habe – da habe ich dann persönlich auch immer ein paar Tage gebraucht, bis ich das halbwegs verdaut hatte.
Hast du Lehren aus ihrem Tod gezogen und handelst nun anders, als du es vorher getan hast? Hast du dich verändert?
Natürlich denkt man sich, dass man vieles nicht als so selbstverständlich ansehen soll. Dass jederzeit etwas passieren kann, was ganz unerwartet alles verändert. Aber im Grunde sind es die ganz einfachen Dinge, die ich schätze und die wir alle gerne mit Kathi geteilt hätten. Die Situationen zwischendurch, wo man einfach glücklich ist und sich dessen bewusst ist – und dann daran denkt, wie schön es wäre, wenn Kathi jetzt da wäre. Vielleicht ein bisschen dankbarer oder sich dessen bewusst sein, was man hat. Ich glaube, wir haben uns alle sehr verändert, durch ihren Tod und sicherlich auch durch meinen Umzug nach Pittsburgh. Alle haben ihr eigenes Leben, Familie und Job etc. – der Kontakt zwischen uns Freundinnen hat sich nicht nur sehr reduziert, sondern leider auch teilweise ganz aufgehört.
Wie behältst du sie in deinem Leben, welche Erinnerungen sind wach?
Ich glaube, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Kathi denke. Vielleicht nicht mehr mit dieser Schwere wie noch vor ein paar Jahren, sondern öfter mal mit einem Lächeln oder der Vorstellung, wie sie jetzt gerade reagieren oder die Augen verdrehen würde. Ich habe ein paar Kleinigkeiten, die Kathi gehört haben. Eine Weste, die ich immer noch ständig anziehe. Eine Zitronenpresse, die wir JEDEN TAG verwenden, vor allem mein Sohn Ben, der auch ganz genau weiß, dass es Kathis Zitronenpresse war. Genauso wie die Kinderteller von ihr, die wir immer noch verwenden. Es gibt auch so viele Fotos von uns beiden gemeinsam, von Wochenend-Trips und Urlauben. Kathi hat ja auch von überall Postkarten geschickt (und auch Postkarten von jedem erwartet). Ich habe eine kleine Kiste mit allen möglichen Erinnerungen, die ich immer wieder mal durchschaue. Ich denke ganz oft daran, wie ihr Leben jetzt mit fast 40 ausschauen würde, und bin mir fast sicher, dass sie für meine Kinder die Tante wäre, die viel zu teure Geschenke schickt und sich mit uns in New York zum Shoppen treffen würde. Auch wenn’s für uns alle zu teuer wäre, sie hätte das bestimmt durchgesetzt 😉 Vielleicht würde alles auch ganz anders ausschauen, wer weiß.
Unser Leben würde aber auf alle Fälle anders aussehen, wenn sie noch da wäre.