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Ich bin heute wieder mit meinen beiden Enkelinnen Emilia und Elisa verabredet. Wir wollen Kathis Grab neu schmücken. Die Windräder, die wir im Sommer hingebracht haben, passen nicht mehr so recht in die Jahreszeit. Sie sind von der Sonne ausgebleicht und der Holzstiel ist bereits morsch. Im Vorfeld werden im Team eifrig Überlegungen angestellt. „Ich habe eine Idee in meinem Kopf. Wir könnten doch ein dickes Glas nehmen, eines, das nicht umfällt. Dann sammeln wir bunte Blätter im Garten, legen die rein und setzten einen Igel drauf.“, schlägt Emilia vor. „Einen echten?“, fragt Elisa ungläubig. „Nein, keinen echten. Aber vielleicht finden wir einen aus Holz oder Ton.“, werfe ich ein, um jegliche Spekulationen über verletztes Tierwohl auszuschließen. Elisa ist nicht ganz überzeugt von der Idee ihrer Schwester. Sie schwärmt von einem Plüschlama, das wir vor kurzem bei H&M Home im Regal gesehen haben. „Ich glaube, Kathi würde sich sehr über das weiße, kuschelige Lama freuen.“, meint sie mit treuherzigem Augenaufschlag. Da das Plüschlama weder Regenwetter noch Sturm überleben würde, notiere ich das Wort „Plüschlama“ vorsorglich auf meiner geistigen Wunschliste. Schließlich feiern sie bald ihren sechsten Geburtstag.

Am Freitagnachmittag hole ich die beiden von zu Hause ab. Meinen Hund, den Jakob, will ich in der Zwischenzeit bei meiner Tochter Julia lassen. Kaum steht mein Audi A1 im Innenhof, sind die beiden Mädchen auch schon eingestiegen. Bevor ich richtig reagieren kann, springt Jakob blitzschnell auf die Rückbank und zwängt sich zwischen Emilia und Elisa. Die Mädchen kreischen: „Jakob, wir haben keinen Platz!“ Jakobs Augenaufschlag ähnelt sehr dem von Elisa. Ich bin chancenlos und resigniere seufzend. Ich nehme also alle drei mit. Schon beim Wegfahren werde ich von den beiden mit Fragen, Wünschen, Anregungen und allerlei Neuigkeiten versorgt. Gemeinsame Ausflüge sind einfach ein Highlight und meine Ohren haben einiges zu verarbeiten. In der Hitze des Gefechts haben die Mädchen alle Basteleien zu Hause vergessen. „Oh!“, meint Elisa nur, „wir finden sicher was im Geschäft“.

Im Gartencenter starten die beiden sofort los, Jakob hingegen muss im Auto bleiben. Wir brauchen Herbstblumen und wenn möglich, einen Igel. Im ersten Regal sitzen welche aus verzinktem Blech, die der kritischen Betrachtung von Emilia und Elisa nicht standhalten. Auch die kleinen orangen und gelben Igel aus Metall finden wenig Anklang.

Wir konzentrieren uns zunächst auf die Blumen, oder besser gesagt, ich versuche es. Das ist gar nicht so einfach, weil die beiden von einer Reihe in die nächste flitzen und im Sekundentakt neue Ideen haben. Mit einiger Überredungskunst landen schließlich ein paar Pflanzen im Einkaufswagen und es geht weiter zu den Dekoartikeln. Spätestens jetzt wird mir klar, dass der Handel uns um einiges voraus ist. Überall Weihnachtskugeln, Lichterketten, Lametta und weiße, glitzernde Schnee-Eulen. „Können wir die nehmen?“ rufen beide verzückt. Dieses Mal setzen beiden den berüchtigten Augenaufschlag ein. Der Igel ist mittlerweile komplett aus dem Blickfeld gerückt. Und weil ich wirklich schlecht darin bin, den Mädchen einen Wunsch abzuschlagen, dürfen sie sich für ihre Zimmer eine Schnee-Eule aussuchen. Für Kathis Grab sind sie jedenfalls nicht geeignet. Elisa schwenkt noch einmal um und sucht sich statt der Eule einen Weihnachtswichtel aus. Ich trotte zurück zum ersten Regal und nehme dann doch noch zwei der verschmähten Metalligel. Die Mädchen sind im Weihnachtsfieber und haben keinen Kopf mehr für die Herbstdekoration.

Mit unserer etwas mageren Ausbeute fahren wir zum Friedhof. Ich pflanze die Blumen ein und entferne etwas Unkraut. Emilia und Elisa kümmern sich um die Windräder und tauschen die Osterhasen gegen die Igel aus. Wir stellen auch noch frische Kerzen in die Laterne und sind letztendlich recht zufrieden mit unserem Werk.

Auf der Heimfahrt überlegen die beiden wortreich, wie sie gleich ihre Zimmer mit der Schnee-Eule und dem Weihnachtswichtel schmücken werden. Ich glaube, Jakobs Ohren beginnen auch schon zu klingeln. Jedenfalls scheint es mir, als wäre er erleichtert, dass er bald die Rückbank wieder für sich alleine hat.

Ein bisschen Glitzerstaub lassen die beiden noch im Auto zurück und weg sind sie. Ich bin so froh, dass ich euch beide habe.

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