
Wenn wir in unserem engeren Umfeld, in der Familie oder im Freundeskreis mit einem Trauerfall konfrontiert werden, spüren wir das natürliche Verlangen oder aber auch die Verpflichtung, dem Betroffenen beizustehen. Da dies keine alltägliche Situation ist, stellt sich die Frage, wie diese Unterstützung aussehen soll. „Kann ich etwas für dich tun?“ Diese gut gemeinte Frage, an einen Trauernden gerichtet, bringt selten eine befriedigende Antwort. Trauernde sind in ihrer Situation oft gar nicht in der Lage, ihre Wünsche oder Bedürfnisse zu formulieren. Noch viel weniger haben sie die Kraft, auf andere zuzugehen und aktiv um Unterstützung zu bitten. Darum ist auch die Aufforderung: „Melde dich, wenn du etwas brauchst.“, nicht unbedingt sinnvoll. Was Trauernde aber sicher brauchen, ist Verständnis, Wärme und Zuneigung, Menschen, die für sie da sind. Wir dürfen sie daher nicht sich selbst überlassen.Wer trauert, lebt im Ausnahmezustand. Er leidet körperlich und seelisch, selbst den gewohnten Alltag zu bewältigen fällt ihm schwer. Ich kann mich noch gut an dieses bleierne Gefühl erinnern, als hätte ich schwere Gewichte an Armen und Beinen. Es ist so wichtig, dass Außenstehende den Mut aufbringen, auf den Trauernden zuzugehen.
Ich habe hier ein paar Gedanken und Erinnerungen zusammengefasst. Vielleicht ist es eine kleine Orientierungshilfe, ein Denkanstoß, was man tun und wie man möglicherweise helfen könnte. Es sind dies Dinge, die auch mir in der ersten Zeit geholfen haben.
Ruf nicht an, schau einfach vorbei.
„Hallo, hier bin ich, ich habe dir etwas zu Essen mitgebracht.“ Diese kleine Geste kann immensen Halt geben. Jemand macht sich Gedanken darüber, ob ich auch gut versorgt bin. Es geht nicht darum, Trost zu spenden oder eine Lösung parat zu haben. Es geht um ein alltägliches Bedürfnis, das gestillt werden muss. Und wenn ihr merkt, es passt gerade gar nicht, übergebt euer Mitbringsel. Als Draufgabe packt noch eine liebevolle Umarmung dazu und verabschiedet euch wieder. Fühlt euch nicht zurückgestoßen sondern seid euch sicher, dass eure Fürsorge gut tut. Es ist wie ein kleines Wundpflaster in der schweren Zeit. Ihr könnt auch Hilfe im Haushalt anbieten, Besorgungen erledigen oder den Rasen mähen. Das alles sind Aufgaben, für die der Trauernde kaum Kraft aufbringen kann.
Wer für Trauernde da ist, begegnet den eigenen Gefühlen.
Trauernde zu begleiten heißt auch, sich seinen Ängsten zu stellen. Oft fehlen uns schlichtweg die Worte. Ein offener Umgang und das Eingeständnis, selbst sprachlos und ratlos zu sein, ist nur ehrlich und aufrichtig. Seid nicht genervt, wenn sich in den ersten Wochen und Monaten die Themen, über die der Trauernde sprechen will, wie in einer Endlosschleife wiederholen. Ein Trauernder muss sprechen, um das Unfassbare überhaupt begreifen zu können. Die Gedanken kreisen unaufhörlich und brauchen ein Ventil. Im wiederholten Erzählen ordnet sich das Chaos im Kopf und der Trauernde findet dadurch ein bisschen Struktur und Halt. Ich kann verstehen, dass die Verzweiflung des Gegenübers schwer zu ertragen ist. Man ist selbst berührt, möchte am liebsten mitweinen und meint aber, es wäre angebrachter, Mut und Zuversicht zu signalisieren. Ihr könnt hier nichts falsch machen, solange ihr authentisch bleibt.
Eine meiner Lieblingserinnerungen liegt schon einige Jahre zurück. Ich bin nach Kathis Tod für einen neuen Job nach Deutschland gezogen. Ich wollte das Geschehene hinter mir lassen, neu anfangen. Was weiß ich, was ich mir damals gedacht habe. Rückblickend habe ich ständig irgendwelche „Aktionen“ gesetzt, nur um etwas weiterzubringen. Ich dachte wohl, wenn ich mich genug ablenke und beschäftige, wird der Schmerz geringer. Ich saß in einem kleinen Restaurant in der Nähe meiner Wohnung und war der einzige Gast an diesem Abend. Der junge Inhaber, der mir mein Essen zubereitet hatte, setzte sich zu mir an den Tisch. Wir begannen uns zu unterhalten und er fragte mich unter anderem, was mich hierher verschlagen hat. Und so erzählte ich ihm meine Geschichte. Selbst 700 Kilometer von zu Hause weg hatte ich sie im Gepäck. Er hörte mir aufmerksam zu, stand dann langsam auf und fragte mich: „Darf ich dich umarmen?“ Für einen kurzen Moment spürte ich so viel Anteilnahme und so viel Wärme von einem fremden Menschen. Mein Herz ging schier über. Ich fühlte mich verstanden und getröstet.
Gleichzeitig erinnere ich mich an ein Abendessen bei Freunden. Irgend eine Bemerkung ließ die Erinnerung an Kathi hochkommen und ich kämpfte mit den aufsteigenden Tränen. Ich flüchtete auf die Toilette und weinte dort in mich hinein. Nachdem ich mich wieder gefasst hatte, ging ich zurück an denTisch. Ich spüre noch heute das betretene Schweigen, das im Raum herrschte. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich mich völlig daneben benommen. Irgendwann nahm die Unterhaltung wieder Fahrt auf, meine Verwirrung blieb.
Geduld und ein offenes Ohr
Sei für den Trauernden da und höre ihm zu, immer wieder. Versuche es nicht mit Floskeln wie „Das wird schon wieder!“. Oder – auch eines meiner Lieblingszitate: „Du musst nach vorne schauen.“ Bewerte die Trauer nicht. Auch ein Vergleich mit anderen, die es noch härter getroffen hat, ist nicht hilfreich. Der Verlust der 90-jährigen Mutter darf genauso weh tun wie der Verlust meiner 30-jährigen Tochter. Und wie schnell nach dem Ableben die Wohnung umgestaltet, der Kleiderschrank leergeräut oder das Türschild ausgetauscht wird, ist allein Sache des Trauernden. Was gefragt ist, ist dein Mitgefühl.
Behellige den Trauernden nicht mit den eigenen Trauererfahrungen, etwas, dass ich mir selbst bewusst vorgenommen habe. Ich bin nicht die Spezialistin in Sachen Trauerbewältigung, nur weil ich es selbst erlebt habe. Trauer lässt sich nicht vergleichen, auch unter engen Verwandten nicht. Es gibt keine Worte, die den Verlust leichter machen. Zeige dein Mitgefühl besser durch eine feste Umarmung. Und vor allem lass dem Trauernden Zeit. Dränge ihn nicht. Entwickle ein Gespür dafür, wann es angebracht ist, sich zurückzuziehen. Aber bitte bleibe dran – du wirst gebraucht!