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Sucht man nach dem Begriff „Trauer“ stößt man auf unterschiedliche Definitionen. Im Duden werden der Trauer zwei Bedeutungen zugemessen: zum einem ist es ein tiefer, seelischer Schmerz über einen Verlust oder ein Unglück und zum anderen ist es die offizielle Zeit des Trauerns nach einem Todesfall. In weiterer Folge nennt man Trauer auch die Art der meist schwarzen Kleidung, die man als äußeres Zeichen für seinen Verlust trägt.

Wikipedia folgt dieser Begriffserklärung und bezeichnet die Trauer als eine durch einen schwerwiegenden Verlust verursachte Gemütsstimmung, die etwa durch den Verlust eines geliebten oder verehrten Menschen, durch einen ideellen Verlust oder die Erinnerung an solche Verluste hervorgerufen wird. Und weil Trauer etwas sehr Vielschichtiges ist, teilt Wikipedia die Trauer wiederum in verschiedene Arten ein.

Der Begriff „Trauer“ selbst stammt aus dem Althochdeutschen und bedeutet „traurig, ernst, nachdenklich“. Trauer bedeutet aber nicht unbedingt eine Reaktion auf den Tod. Trauer kann auch bei der Trennung vom Partner, dem Verlust des Arbeitsplatzes oder bei sonstigen Umständen auftreten, die das seelische Gleichgewicht durcheinanderbringen. Zumindest sagen das meine Internetrecherchen.

Trauer als emotionaler Zustand
Trauer kann sich auf die unterschiedlichste Weise bemerkbar machen. Meist geht sie einher mit Niedergeschlagenheit, emotionaler Abgestumpftheit, innerer Erstarrung und körperlichem Schmerz. Die unterschiedlichsten Gefühle treten auf, Panik, Wut, Zorn, Schuldgefühle. Die Lebensfreue schwindet und viele Trauernde ziehen sich innerlich zurück.

Trauer ist keine Krankheit oder eine natürliche Schutzreaktion, um den Verlust nicht zu spüren. Trauer ist eine ganz individuelle Form des Umgangs mit dem erlittenen Verlust und hält unterschiedlich lange an. Erst wenn der oder die Trauernde wieder gelernt hat, mit den neuen Lebensbedingungen zurechtzukommen, kann man vom Überwinden der Trauer sprechen.

Trauer als Prozess
Der Trauerprozess ist eine Zeit, die für jeden Menschen anders abläuft. Jeder Betroffene hat hier seinen eigenen Weg, benötigt unterschiedlich lange dafür und empfindet diese Zeit unterschiedlich intensiv. Die einen können den Verlust alleine bewältigen, andere brauchen Unterstützung. Gerade weil dieser Prozess so individuell ist, fühlen sich viele Menschen von ihrer Umgebung nicht verstanden, nicht wahr- und ernstgenommen. Der tiefe Schmerz und das Ausmaß der Gefühle sind für Außenstehende kaum nachvollziehbar.

Um der Trauer eine gewisse Struktur zu geben und um besser zu verstehen, wie sie abläuft, hat man versucht, sie in Phasen einzuordnen. Elisabeth Kübler-Ross, eine schweizerisch-US-amerikanische Psychiaterin und Sterbensforscherin beschrieb 1969 ein weltweit beachtetes Fünf-Phasen-Modell, welches den Umgang sterbenskranker Menschen mit ihrer Situation beschreibt. Nachdem Sterbende immer auch Trauernde sind, übertrug Kübler-Ross dieses Fünf-Phasen-Modell auch auf den Trauerprozess. Die britischen Trauerforscher John Bowlby und Colin Murray Parkes entwickelten 1970 ein Vier-Phasen-Modell, das 1982 von Verena Kast, einer schweizerischen Psychoanalytikerin, Supervisorin und Präsidentin des C.G.-Jung-Instituts in Zürich, übernommen wurde und das heute wahrscheinlich bekannteste Erklärungsmodell ist. Verena Kast teilt die Trauer in vier Abschnitte ein, die einen klaren Beginn und ein klares Ende haben. Sie beginnt also mit dem Ableben des geliebten Menschen und endet, sobald man sich neu orientiert hat.

  1. Trauerphase – Nicht-wahrhaben-Wollen
    Vom Tod wird der oder die Betroffene/Trauernde immer überrascht, auch wenn man scheinbar Zeit hatte, sich darauf einzustellen. Der oder die Betroffene/Trauernde ist hilflos, verzweifelt und kann es einfach nicht glauben, leugnet es mitunter sogar. Diese Phase kann nach dem Modell von Verena Kast einige Stunden bis zu mehreren Wochen andauern.
  2. Trauerphase – Aufbrechende Emotionen
    Wacht der oder die Betroffene/Trauernde aus der Erstarrung auf, bahnen sich Gefühle ihren Weg. Schmerz, Wut, Traurigkeit, Angst, Zorn, manchmal auch Schuldgefühle, Fragen, Zweifel. Die Bandbreite ist groß und je nach der Persönlichkeitsstruktur des Trauernden unterschiedlich. Dieser Phase werden ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten zugesprochen.
  3. Trauerphase – Suchen und Sich-Trennen
    Auf Verlust folgt Suchen. Der Verstorbene wird gesucht, Orte der Erinnerung werden aufgesucht, gemeinsame Erlebnisse werden durchlebt, innere Zwiegespräche geführt, die Sehnsucht nach dem Verlorenen nimmt überhand. Einerseits kann das Sammeln dieser Eindrücke einem unsagbar viel Trost spenden und einen Sinn geben, weiterzumachen. Andererseits kann aber diese intensive Suche in tiefe Verzweiflung münden. Gerade in diesem Abschnitt der Trauer stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Weitermachens und nicht selten können suizidale Gedanken auftreten. Diese Phase kann Wochen, Monate oder auch Jahre dauern.
  4. Trauerphase – Neuer Selbst- und Weltbezug
    Nachdem der oder die Betroffene/Trauernde durch das tiefe Tal der Trauer gewandert ist, seinen Gefühlen in jeglicher Form Ausdruck verliehen hat, kehrt allmählich Ruhe und Frieden ein. Unaufhaltsam erkennt der oder die Betroffene/Trauernde, dass das Leben tatsächlich weitergeht und blickt wieder nach vorne. Der Verstorbene bleibt Teil des Lebens, die Erinnerung bleibt aufrecht und in dieser Erinnerung richtet der oder die Betroffene/Trauernde sein Leben neu aus.

Die Einteilung der Trauer in Phasen muss als Konzept verstanden werden, das weder allgemeine Gültigkeit hat, noch einen normativen Charakter besitzt. Trauer lässt sich nicht in ein Korsett pressen. Trauer ist ein Prozess, der für jeden Menschen anders abläuft. Die Dauer und die Intensität des Trauerweges sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass meine Trauer ganz klar einen Beginn hatte. Es war der Zeitpunkt, als ich den Leichnam meiner Tochter im Krankenhaus gesehen habe und ich im wahrsten Sinne des Wortes „begriffen“ habe, dass ihr Tod nun endgültig ist. Ein klares, abgegrenztes Durchleben der einzelnen Phasen, wie von Verena Kast beschrieben, habe ich so nicht erlebt. Ich würde vielmehr sagen, dass die Trauer in Wellen kommt und völlig unberechenbar ist. War ich an einem Tag zuversichtlich, dass es nun besser wird, wurde ich am nächsten Tag wieder von Hilflosigkeit und Schmerz überschwemmt. Manchmal hatte ich das Gefühl, gar nicht weiterzukommen. Manchmal habe ich es fast vergessen, was passiert ist.

Mittlerweile habe ich mich neu orientiert, kann wieder Pläne schmieden. Kathis Tod hat Spuren hinterlassen, meine Einstellung zum Leben hat sich grundlegend verändert. Ich werde immer traurig sein, dass ich meine Tochter verloren habe. Somit kann ich ein Ende der Trauer für mich nicht festmachen. Aber ich kann meine Lebensbedingungen akzeptieren und nehme ihren Tod an.

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